Dienstag, 19. Mai 2015

Lese-Rezension: Lite

JCGames ist ein kleiner Einmann-Rollenspiel-Verlag, der in der Vergangenheit Das Weltenbuch und SpacePirates herausgebracht hat. Diese Spiele hatten jeweils ihre eigenen Regeln, und die Spielwelten waren in beiden Fällen eine ganz eigene Mischung aus Klischees und witzigen Eigenheiten. Das Weltenbuch zum Beispiel hat als Spielwelt tatsächlich eine aufgeschlagene Doppelseite eines Buchs, und bei SpacePirates gibt es unter anderem das System der Träume, ein Hollywood galaktischer Größe, wo sogar die Sonne in Form eines Scheinwerfers einherkommt.

Seit einiger Zeit hat JC an Lite gearbeitet, und vor kurzem eine Crowdfunding-Kampagne für die Produktion einer Hardcover-Kleinserie angestoßen. Das habe ich als Anlaß genommen, mir Lite neben der frei verfügbaren Regeln, die auch auf der Website erhältlich sind, auch ins Regal zu stellen.



Das Buch kommt, wie die Online-Fassung, in poppigen Primärfarben daher: Blauer Umschlag mit weißer Schrift, grüne Boxen für Anmerkungen zu den Regeln, orange Boxen für Beispiele.

Die Regeln selbst sind schnell erklärt: Charaktere haben vier verschiedene Profile, die settinggerecht ausgewählt werden; ein paar Merkmale, die helfen sollen den Charakter auch rollenspielerisch auszugestalten. Die Profile haben einen Wert, anhand derer in einer Art Pool-System Erfolge erzeugt werden. Es gibt Proben gegen Mindestwerte, vergleichende Proben (die hier Konflikte heißen) und Konfliktszenen, in denen man über mehrere vergleichende Proben die Zähigkeit von Profilen abträgt um die Gegner handlungsunfähig zu machen. Dazu kommen noch ein paar Gummipunkte, mit denen man sich einen Würfelbonus verschaffen, Zähigkeit (zurück)kaufen, oder Spielweltfakten etabliert. Kurz gesagt: Lite bringt alles zusammen, was man aus verschiedenen Spielen wie Risus (Profile), Universalis, oder Savage Worlds (Gummipunkte) kennt. Es gibt auch Magieregeln, aber dieser Begriff ist fast schon zu weit gefaßt: Wenn ein Setting Magie kennt, legt man verschiedene Spielarten der Magie fest, auf die bestimmte Profile Zugriff haben; die Auswirkung der Magie liegt aber im Ermessen der Gruppe und die Erfolgschancen richten sich wie bei allen anderen Proben und Konflikten nach der Stärke des Profils.

Einen Großteil des Buches macht die Anleitung, wie man Abenteuer baut und leitet. Hier kommen weitere erzählspielerische Ansätze zum Tragen: Abenteuer werden in Szenen gegliedert, und die Spieler haben am Ende ein Grand Finale mit 'Wow' oder 'Oha'-Effekt verdient; erfolgreich sollten sie auch sein. Auf der anderen Seite sollen Spielleiter ergebnisoffen vorbereiten und die Handlungen und Ideen der Spieler aufnehmen und integrieren.

Da Lite ein generisches System ist, kommt das Hardcover mit einer Menge Beispielsettings, anhand derer man schnell sein eigenes Abenteuer oder Spiel hochziehen können sollte. Die vorgestellten Settings sind 80s, Cyberpunk, Endzeit, Fantasy, Orient, Pulp, SpaceOpera, Steampunk und Western; es ist also auch alles an Bord um Weltenbuch oder SpacePirates mit den neuen Regeln zu spielen.

Die Settingbeschreibungen eröffnen mit einem oder zwei Absätzen, in denen der Autor beschreibt wie er das Setting versteht, ein paar Profilen, Magiekategorien wenn das Setting Magie kennt, und dann ein paar Archetypen, die sich teilweise mit den Profilen überlappen, sie aber auch erweitern oder Kombinationen von Profilen darstellen. Darüberhinaus gibt es für das Weltenbuch ein Lite-Regel-PDF, und auch bei SpacePirates erwarte ich irgendwann mal eine Überarbeitung.

Lite behauptet auf dem Buchdeckel, erzählerisch, flexibel und frei zu sein. Leistet es das? Ich denke ja: Sowohl die Regeln als auch die Anleitungen zum Abenteuerbau setzen einen klaren Fokus auf eine Story und JC schafft es dabei auf die Idee eines komplett vom SL gesteuerten Plots zu verzichten. Zumindest mit den durch Gummipunkte kaufbaren Fakten können Gruppen die diese gemeinsame Ausgestaltung der Spielwelt ausprobieren ohne daß es zur Beliebigkeit wird. Lite ist auch relativ flexibel, wie die verschiedenen Settings zeigen. Es wird aber auch klar, dass Lite nicht beliebig skaliert: Wir sehen keine Riesenroboter- oder Superheldensettings. Und Lite ist frei, nach Creative Commons nicht nur umsonst, sondern man kann auch seine eigenen Varianten schreiben und veröffentlichen (solange auch diese frei erhältlich sind).

Ein nettes kleines System! Ein Hauch mehr als Risus, kompakter als aktuelle FATE-Versionen, frei verfügbar. Für alle, die für ihre Privatprojekte ein erzählerisches System suchen, geeignet.

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